Nr. 110/2019

Herr Bouckaert, Herr Jann, warum schimpft eigentlich jeder auf die Bürokratie? JANN: Schwierige Frage. Das Problem fängt schon damit an, dass vollkommen unklar ist, was man eigentlich meint, wenn man über zu viel Bürokratie schimpft. Geht es um zu viele oder um „überflüssige“ Vorschriften? Dann stellt sich ja die Frage, was ist überflüssig? Und das wird von unterschiedlichen Bürgerinnen und Bürgern – zu Recht – durchaus unter- schiedlich gesehen. Beispielsweise? JANN: Als eine Landesregierung in Deutsch- land die Normen für Kindergärten lockern wollte, gab es einen Aufschrei der Eltern, die bestimmte Regelungen gerade nicht in das Ermessen der einzelnen Betreiber stellen wollten. Wenn die Bundesregierung die Honorarordnung für Architekten oder die Apothekerverordnung liberalisieren will, gibt es jedes Mal Proteste der betroffenen Berufsverbände. Die Zahl und der Eingriffs- grad von Gesetzen ist aber eine politische Frage, keine bürokratische. Hier wird also oft der „Sack“ Bürokratie geschlagen, aber eigentlich ist der „Esel“ staatliche Interven- tion gemeint. BOUCKAERT: Eine ganz andere Kritik richtet sich gegen bürokratisches Verhalten, also unverständliche Sprache, unfreundliche Mitarbeiter, Unpersönlichkeit, Dogmatis- mus und undurchschaubare Prozesse. Diese Kritik ist oder war auf jeden Fall durchaus UNSERE VERWALTUNG IST GAR NICHT AUFGEBLASEN Jeder hat schon einmal über sie geflucht – dabei sind deutsche Behörden besser als ihr Ruf, finden die Verwaltungswissenschaftler Geert Bouckaert und Werner Jann. Ein Gespräch über moderne Verwaltung, freundliche Beamte und hartnäckige Stereotype. Interview  MAREIKE ILSEMANN Foto ROBERT BARTHOLOT 28 HUMBOLDT KOSMOS 110/2019 SCHWERPUNKT

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