Nr. 113/2021

29 HUMBOLDT KOSMOS 113/2021 F ast sieht es nach experimenteller Kochkunst aus, woran Cyprien Verseux arbeitet. Atmos, kurz für Atmosphere Tester for Mars-bound Organic Sys- tems, heißt der blecherne Kubus auf dem Labor­ tisch. Etwa einen Kubikmeter ist er groß, oben ragen neun gläserne Gefäße aus ihm heraus, aus deren Deckeln Leitun- gen zu Gasflaschen führen. Wer in die etwa einen Liter fas- senden Gefäße hineinblickt, sieht eine transparente, grün- liche Flüssigkeit. Doch Cyprien Verseux ist Astrobiologe, kein Koch. Woran er arbeitet, sind keine futuristischen Speisen, son- dern Experimente im Dienste der Raumfahrt. Am Zent- rum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikro- gravitation (ZARM) der Universität Bremen bereitet der Franzose Marsmissionen mit Besatzung vor, die Raum- fahrtagenturen wie die NASA in 15 bis 20 Jahren durch- führen wollen. Hier geht es nicht um Weltraumwettren- nen wie sie sich zuletzt Multimilliardäre wie Jeff Bezos, Richard Branson oder ElonMusk leisteten. Bei den geplan- ten Marsmissionen der großen Raumfahrtagenturen geht es um Grundlagenforschung: Sie sollen endgültig klären, ob es auf dem Mars womöglich auch Leben gibt – selbst wenn es nur Mikroben tief im Boden sind. Außerdemwill man mehr über die Entstehungsgeschichte des Sonnensys- tems und des Lebens auf der Erde erfahren. Daran arbeitet auch Verseux als Humboldt-Forschungs- stipendiat in Bremen. Hat sein Projekt Erfolg, würde dies die Versorgung der Astronaut*innen auf ihrer Mission erheblich erleichtern. Auch mit Nahrung – aber nicht nur. WOHER KOMMT DIE LUFT ZUM ATMEN? Neben Nährstoffen geht es um Medikamente, Treibstoff und nicht zuletzt das Wichtigste: die Luft zum Atmen. Atmos, der Blechkubus in Verseux’ Labor, ist ein atmo- sphärengesteuerter Unterdruck-Fotobioreaktor. In der Flüssigkeit schwimmen winzige grüne Bakterien, aus denen sich all das womöglich produzieren lässt. Verseux erforscht, wie sich diese Mikroorganismen auf dem Mars am besten vermehren. „Wenn sie halten, was sie verspre- chen, reicht es, einen Tropfen mit zum Mars zu nehmen“, sagt er. „Dort lassen sie sich so schnell kultivieren, dass man in relativ kurzer Zeit ein ganzes Schwimmbecken mit ihnen füllen könnte. Und dann könnten sich die Astronaut*innen komplett selbst versorgen.“ Entdeckungsreisen, das Weltall und die Biologie haben den 31-Jährigen schon als Kind fasziniert. Mit seinen Eltern war er häufig zum Zelten draußen in der Natur. In klaren Nächten erklärte der Vater seinem Sohn den › Fotos: Christiane Heinicke, Pressedienst Bremen/ Jörg Sarbach PROBEN FÜR DIE MISSION Marssimulationsprojekt HI-SEAS der NASA in der Vulkanlandschaft des Mauna Kea auf Hawaii „ WÜRDE ICH MITFLIEGEN? AUF JEDEN FALL!“

RkJQdWJsaXNoZXIy NTMzMTY=