Nr. 113/2021

27 HUMBOLDT KOSMOS 113/2021 zu heißen und gesellschaftlich kontroversen Themen ein­ lässt, braucht neben Kompetenz vor allem Zeit, die nicht jede*r investieren will oder kann. Auch haben nicht alle das nötige Talent. So ist in der Wissenschaft immer wie­ der die Sorge vor einem Zwang zur Kommunikation laut geworden. Lieber sollte man gezielt diejenigen stärken und sprechen lassen, die gut darin sind und sich für die Auf­ gabe begeistern. Viele Ideen zur Stärkung der Wissenschaftskommuni­ kation sind nun imGespräch, allen voran Schulungsange­ bote, um die Kommunikationskompetenz von Wissen­ schaftler*innen zu stärken. Die Anerkennungskultur für Kommunikationsleistungen im deutschenWissenschafts­ system soll verbessert werden. Eine öffentliche Stiftung könnte qualifizierten Wissenschaftsjournalismus vor allem auf regionaler Ebene fördern. Defence Units an deut­ schen Universitäten und Forschungseinrichtungen könn­ tenWissenschaftler*innen unterstützen, wenn sie Ziel von Anfeindungen werden. Die Wirksamkeit von Kommuni­ kationsmaßnahmen bei verschiedenen Zielgruppen soll besser erforscht werden, auch um Ressourcen besser ein­ zusetzen. Denn zusätzliche und neue Maßnahmen wer­ den Geld kosten, das womöglich anderswo eingespart werden muss. IM GESPINST DER VERSCHWÖRUNGS­ MYTHEN Die Wirkungsforschung ist auch deshalb wichtig, weil es nach vielen JahrenWissenschaftskommunikation Zweifel gibt, ob und wie man an diejenigen herankommt, die auf wissenschaftliche Fakten pfeifen. Wie also beispielsweise in die Echokammern von Klimawandelleugner*innen hin­ eindringen? Die Wunderwaffe der Wissenschaftskommunikation, die auch die erreicht, die sich ganz tief ins Gespinst der Verschwörungsmythen zurückgezogen haben, wurde noch nicht gefunden. Doch aufgeben gilt nicht, meint die mit ihremYouTube-Kanal maiLab in Deutschland erfolgreiche WissenschaftsjournalistinMai Thi Nguyen-Kim. Wissen­ schaftmüsse sich einmischen, sagt die promovierte Chemi­ kerin zumAbschluss der #FactoryWisskomm. Sonst über­ lasse sie denen das Feld, die Wissenschaft verdrehen und für politische und ideologische Zwecke instrumentalisie­ ren. Mit ihrem Kanal, den auf YouTube mehr als 1,3 Mil­ lionen Personen abonniert haben, hat sie ein Rezept ent­ wickelt, das auch bei Wissenschaftsskeptiker*innen Erfolg haben könnte. „Verschwörungstheorien, die Wissenschaft verdrehen, gehen oft erstaunlich tief ins Detail, auch wenn die Details falsch sind“, hat sie beobachtet. „Der Eindruck bei Laien ist positiv: Hier nimmt sich jemand Zeit und geht in die Tiefe, während anderswo immer mehr verkürzt wird. Unsere Erfahrung ist: Wenn wir hineingehen in Metho­ den, in Statistik, in Konfidenzintervalle einsteigen, wird das gut aufgenommen. Die Leute wollen es genau wissen. Und nur so hat man am Ende die besseren Argumente.“ Auf Leute, die es genauer wissen wollen, treffen Wissen­ schaftler*innen, die mehr und besser erklären wollen. Hierauf deuten die Ergebnisse einer kürzlich durchgeführ­ ten Online-Umfrage des Deutschen Zentrums für Hoch­ schul- und Wissenschaftsforschung, des Nationalen Ins­ tituts für Wissenschaftskommunikation und der Impact Unit vonWissenschaft imDialog hin. 80 Prozent der rund 5 700 befragtenWissenschaftler*innen an deutschen Uni­ versitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtun­ gen stimmten der Aussage zu, dass ihnen die Kommunika­ tion Spaß mache und eine Arbeitsbereicherung darstelle. Und 91 Prozent der Befragten meinen, Wissenschaftskom­ munikation solle zumZiel haben, die wissenschaftsbasierte Entscheidungsfindung in der Gesellschaft zu stärken. Nach eineinhalb Jahren Pandemie lassen sich positive Trends für die Wissenschaftskommunikation erkennen – trotz aller strukturellen und individuellen Herausforde­ rungen. Schließlich haben alle Beteiligten viel gelernt: Die Öffentlichkeit darüber, wie Wissenschaft arbeitet, die Wissenschaft, worauf sie bei der Kommunikation mit der Öffentlichkeit achten muss und schließlich die Politik und die Medien, wie sie mit Unsicherheiten und Minder­ meinungen in der Forschung besser umgehen können. WISSENSCHAFT UND MEDIEN IM DIALOG Das Humboldt Communication Lab for Exchange between Research and Media www.humboldt-foundation.de/ comlab 10-PUNKTE-PLAN Empfehlungen der Allianz der Wissenschaftsorganisation für eine bessere Wissenschafts­ kommunikation www.humboldt-foundation.de/ allianz-wisskomm-10-punkte- plan WISSENSCHAFTS­ KOMMUNIKATION KOMPAKT Die Internationale Summer School „Communicating Science“ www.humboldt-foundation.de/ communicating-science

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