Nr. 116/2024

Illustrationen: Humboldt-Stiftung/ raufeld/Martin Rümmele HERR TITUS, WIE KANN MUSIK DAS KLIMA RETTEN? Was hat Musik mit Plastikmüll, Emissionen oder Ölleckagen zu tun? Wie Protestlieder ein Umdenken bewirken und zu ökologischer Nachhaltigkeit beitragen können, untersucht der Nigerianer Olusegun Stephen Titus. 2011 entging Titus nur knapp einer Flutkatastrophe. „Meine Universität in Nigeria wurde überschwemmt, über 100 Menschen starben.“ Der Forscher, der sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte, erfuhr hier die Folgen der globalen Erwärmung am eigenen Leib. Seitdem befasst sich der Musikwissenschaftler intensiv damit, wie Musik dazu beitragen kann, ökologische und soziale Miss- stände zu überwinden. „Musik dringt ins Unterbewusst- sein. Wenn du ein Lied, das sich mit Umweltverschmut- zung, Korruption oder ähnlichenThemen befasst, immer wieder singst, setzt es sich in deinemGeist fest und verän- dert deine Haltung“, erklärt er. Die Musik halte Probleme und Ungerechtigkeiten im Gedächtnis und helfe dadurch, politischen Druck aufzu- bauen. Wie etwa 2012, als die Regierung Nigerias Subven- tionen für Öl und Gas strich und die Preise sprunghaft anstiegen. Es kam zu landesweiten Protesten, die dazu führten, dass die Regierung ihre Maßnahmen zurückneh- men musste. „Es gibt mehr als 200 ethnische Gruppen in Nigeria, aber sie wurden durch das gemeinsame Singen von Protestliedern vereint. Das hat zu einem starken Widerstand geführt,“ so Titus, der zurzeit an einem Buch zu Musikaktivismus in Nigeria arbeitet. Die Regierung sei sich der Macht der Musik bewusst, setze Sänger und Bands, die Protestlieder verbreiten, unter Druck und verbiete die Übertragung ihrer Lieder über Radio oder Fernsehen. Trotzdem erreichen die kritischen Lieder viele Menschen – über das Internet, bei Konzerten und auf Feiern. Das macht Titus Hoffnung: „Ich ermutige die Musiker, durch ihre Lieder Bewusstsein zu schaffen und zu protestieren, damit wir ökologische Nachhaltig- keit erreichen.“ Text NORA LESSING DR. OLUSEGUN STEPHEN TITUS forscht bis September 2024 als Georg Forster-Stipendiat an der Universität Konstanz. 6 7 HUMBOLDT KOSMOS 116/2024 HUMBOLDT KOSMOS 116/2024 NACHGEFRAGT

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