Nr. 116/2024

E ine Annahme schien im globalen Wissenschaftsbetrieb lange Zeit zementiert gewesen zu sein: Rele- vante, bahnbrechende Forschung, die mit ihren Analysen, Entdeckungen und Innovationen die Menschheit entscheidend voranbringt, findet ausschließlich in den ein- kommensstarken Ländern des globalen Nor- dens statt. In Ländern des globalen Südens mit niedrigen und mittleren Einkommen dagegen wurden die Ergebnisse dieser wissenschaft- lichen Spitzenleistungen die längste Zeit allenfalls konsumiert. Doch entspricht diese Annahme tatsächlich der Realität? Wie (un-) gerecht ist der globale Wissenschaftsbetrieb? Ein Blick auf die internationaleWissenschafts- landschaft ergibt zunächst ein recht eindeu- tiges Bild: Nordamerikanische Ivy-League- und europäische Eliteuniversitäten führen bis heute die einschlägigen Rankings an. Als ausgewiesene Exzellenzhubs gelingt es ihnen leichter, im internationalen Wettbewerb her- ausragende Wissenschaftler*innen anzuzie- hen – die dann dort erneut exzellente For- schung betreiben. Ihnen gegenüber stehen Universitäten, beispielsweise in Subsahara- Afrika, die oft nicht einmal das Basisequip- ment finanzieren können, das nennenswerte Forschung überhaupt erst möglich macht. Auch die Redaktionen führender Wissen- schaftsmagazine sind traditionell in Europa und Nordamerika angesiedelt und entschei- den so mithilfe von Peer-Reviews und einer auf den globalen Norden ausgerichteten Aus- wahlpolitik darüber mit, welche Forschung, welches Wissen und welche Form der Wis- sensgewinnung als Standard gelten. UNGLEICHE VERTEILUNG „Sowohl die Ressourcen als auch die Inf- rastruktur sind innerhalb des Systems der globalen Wissensproduktion ungleich ver- teilt“, kritisiert die Juristin undWissenschafts- theoretikerin Sheila Jasanoff, die an der Harvard University das Fach Science and GEWISSHEITEN AUF DEM PRÜFSTAND In der globalen Ökonomie der Wissensproduktion sind Ressourcen und Zugänge ungleich verteilt. Wie es zu dieser Asymmetrie gekommen ist, wo nach wie vor Probleme liegen und wo die Verhältnisse beginnen, aufzubrechen. Text MARLENE HALSER › WIR BRAUCHEN EINE NEUE ÄRA DER INNOVATION IN UNSEREM DENKEN ÜBER DIE WISSENSCHAFT.“ SHEILA JASANOFF „ Auch in Afrika schlagen immer mehr Studierende den Weg zur Promotion ein. Analog wachsen die Bedeutung von und der Bedarf an Postdoc-Stellen – eine Her- ausforderung für die Wissenschafts­ systeme afrikanischer Länder. Die Zahlen stammen aus einer Umfrage der Zeitschrift „Nature“ aus 2023. Sie gibt neue Einblicke und zeigt Tendenzen auf, gilt aber nicht als repräsentativ. Von den 3.838 befragten Postdocs lebten nur 91 auf dem Kontinent, zudem stammten sie vornehmlich aus Süd- afrika, Nigeria und Ägypten. 68 39 Afrika weltweit Afrikaner*innen absolvieren ihre Postdoc-Phase eher im Heimatland als der weltweite Durchschnitt. ANTEIL DERER, DIE IHRE POSTDOC- PHASE IM HEIMATLAND VERBRINGEN Postdocs in Afrika 60% der Postdocs in Afrika verdienen weniger als 15.000 US-Dollar. JAHRESGEHÄLTER UNTER 15.000 US-DOLLAR Afrika Asien inkl. Naher Osten Europa Nord- und Mittelamerika 2 1 % 60 27 In Afrika sind Postdocs häufiger direkt angestellt. ART DER ANSTELLUNG ALS POSTDOC mit Stipendium oder Fördervertrag Direktanstellung an Universität/ Forschungseinrichtung % Afrika Afrika weltweit weltweit 52 18 23 37 Quelle: „Nature“-Postdoc-Umfrage in Zusammenarbeit mit dem Londoner Bildungsforschungsunternehmen Shift Learning, https://www.nature.com/articles/d44148-024-00113-x alle Angaben in Prozent % IM FOKUS Postdocs in Afrika sind älter als der weltweite Durchschnitt. ALTER DER POSTDOCS Afrika weltweit >40 Jahre 41 14 % SCHWERPUNKT 22 HUMBOLDT KOSMOS 116/2024

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