Nr. 115/2023

31 HUMBOLDT KOSMOS 115/2023 gebracht,“ sagt Roberts und zählt nur einige auf: Desin- formation, Online-Belästigung, Hate Speech, der Einfluss fremder Regierungen auf Wahlen. Sie wolle nun unter- suchen, welche Werkzeuge notwendig sind, um Infor- mationsfreiheit zu garantieren und welchen Einfluss die internenModerationsverfahren auf Social-Media-Plattfor- men auf Demokratien haben. Für fünf Jahre ist ihr Pro- jekt angesetzt. Roberts will dafür zwischen Kalifornien und Deutschland pendeln. Die meiste Arbeit, sagt sie, mache sie ohnehin vom Computer aus. Und die Tools, die sie in der Vergangen- heit entwickelt hat, werden ihr auch hier behilflich sein. „Das sind ja Unmengen an Daten“, sagt Roberts. „Die las- sen sich überhaupt nur mithilfe von künstlicher Intelligenz und Machine Learning bezwingen.“ PROFESSORIN DR. MARGARET E. ROBERTS forscht und lehrt am Department of Political Science und am Halıcıoğlu Data Science Institute der University of California, San Diego, USA. Dort ist ist sie außerdem Co-­ Leiterin des China Data Labs im 21st Century China Center. Ihr Buch „Censored: Distraction and Diversion Inside China’s Great Firewall“ (Princeton University Press, 2018) wurde mehrfach ausgezeichnet. 2022 erhielt sie den mit 1,5 Millionen Euro dotier- ten Max-Planck-Humboldt- Forschungspreis, den die Humboldt-Stiftung und die Max- Planck-Gesellschaft gemeinsam verleihen. „Eine Sache, die mich an China immer fasziniert hat, war, wie schnell dort die ökonomische Entwicklung ist“, sagt Roberts. „Jedes Mal, wenn du wieder hinfährst, sieht alles ganz anders aus, weil so viel passiert ist.“ Zur künstlichen Intelligenz kam Roberts über die Sta- tistik. Als Abschlussprojekt für einen Kurs in Machine Learning in Harvard entwickelte sie ein digitales Werk- zeug zurThemenanalyse, das Roberts noch heute bei ihrer Arbeit nutzt. „Die Analyse untersucht die Wörter in den verschiedenen Dokumenten und errechnet dann, welches die wahrscheinlichstenThemen sind“, erklärt Roberts. So lassen sich große Datensätze mithilfe des Computers nach Themen auswerten. Roberts schrieb gemeinsammit einem Kommilitonen, Brandon Stewart, ein Programm, mit dem sich zusätzlich abbilden lässt, wie sich dieThemen imZeit- verlauf verändern. Für die Auswertung von Debatten auf Social-Media-Plattformen ist das nun Gold wert, weil man Online-Debatten mithilfe des Programms nachverfolgen kann, ohne jeden einzelnen Post lesen zu müssen. Das Faszinierende daran sei, so Roberts: „Die Maschine macht das quasi unbeaufsichtigt.“ Will heißen: Anders als noch bei ihrer frühen Forschung zu den chinesischen Blogposts werden vorab weder Themen noch Wertun- gen festgelegt. „Das Tool filtert allein anhand der Wahr- scheinlichkeitsverteilung der Wörter“, sagt Roberts. „Ich interpretiere dann erst imNachhinein, zu welchemThema die Begriffe gehören.“ Mittlerweile werde das Programm auch von anderen Wissenschaftler*innen, aber auch von Journalist*innen für die Auswertung von Social-Media- Posts genutzt. DER ZENSOR ALS MODERATOR Diese vielfältigen Erkenntnisse will Roberts nun dank der Auszeichnung mit dem Max-Planck-Humboldt-For- schungspreis in einem ganz neuen Projekt kulminieren: Sie plant, die Beeinflussung von Nutzer*innen auf Social- Media-Plattformen zu untersuchen und die intransparen- ten Moderationsverfahren dort zu analysieren. Zusam- menarbeiten wird Molly Roberts dabei unter anderem mit dem Konstanzer Politikwissenschaftler Nils B. Weid- mann, der zu Protestbewegungen und Bürgerkriegen sowie digitaler Kommunikation und politischer Mobili- sierung forscht. Nach Konstanz kamWeidmann einst mit Förderung der Humboldt-Stiftung: 2012 war er mit dem Sofja Kovalevskaja-Preis aus Norwegen dorthin gewech- selt und hatte mit der Förderung für herausragende Nachwuchswissenschaftler*innen ein eigenes Forschungs- projekt und eigene Arbeitsgruppen aufgebaut. „Das Aufkommen von Social-Media-Plattformen hat eine Menge neuer interessanter Phänomene mit sich Fotos: picture alliance/AP Images (l.), Humboldt-Stiftung/David Ausserhofer (r.)

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