Nr. 115/2023

GUT GEMEINT IST NICHT GLEICH GUT GEMACHT Die Interventionsforschung fragt, welche Strategien gegen Klimawandel und Infektionskrankheiten helfen. Die planetare Gesundheit, die individuelle Gesundheit der Menschen sowie soziale Gerechtigkeit – das sind für den Humboldt- Professor Till Bärnighausen die drei großen globalen Herausforderungen in den nächs- ten Jahrzehnten. Und sie hängen eng zusam- men: „Wenn wir die natürlichen Ressourcen der Erde aufbrauchen oder zerstören, also etwa Luft und Wasser verschmutzen und Wälder abholzen, dann hat das auch einen negati- ven Einfluss auf unsere körperliche und see- lische Gesundheit.“ Und natürlich führt eine Verknappung der Ressourcen auch zu sozia- len Problemen. Allerdings, so Bärnighausen, können etwa Fortschritte bei der Gesund- heit des Menschen durchaus auch auf Kosten der planetaren Gesundheit gehen, wenn zum Beispiel eine bessere Ernährungsversorgung durch umweltschädliche Intensivlandwirt- schaft erreicht wird. Der deutsche Epidemio- loge PROFESSOR DR. TILL BÄRNIGHAUSEN ist Direktor des Heidelberg Institute of Global Health am Universitätsklinikum Heidelberg. 2017 wurde er mit der Alexander von Humboldt-Professur aus- gezeichnet. ren habe ich zum ersten Mal selbst erlebt, wie gut Frauen ihre Jobs ausüben“, berichtet er. „Aus meiner Heimatkultur kannte ich nur, dass Frauen aus Tradition keinen Beruf haben, sondern zu Hause bleiben. Inzwischen wan- delt sich das“, sagt Abbas. „Heute trifftman an unseren Universitäten sogar mehr Frauen als Männer. Und viele von ihnen suchen anschlie- ßend auch Arbeit.“ Die gestärkte Rolle der Frauen wirke sich unmittelbar auf die Ernährungssicherheit aus: „Wenn Frauen eigenständig entscheiden kön- nen, treffen sie die weitaus besseren Entschei- dungen für die Gesundheit von Kindern“, sagt Abbas. Insofern macht ihm der Wandel der Geschlechterrollen Hoffnung imKampf gegen den Hunger, aber auch gegen den Klimawan- del. Zumal Frauen auch zunehmend in Pakis- tans Politik vertreten sind und diese mitprägen. GUTE POLITIK BRAUCHT GUTE DATEN Mit Blick auf Klimawandel, Nachhaltigkeit und Fragen der Ernährungssicherheit sieht Abbas die kommenden Herausforderungen für die Wissenschaft darin, die Politik und Öffentlichkeit auf der Grundlage einer guten Datenbasis zu beraten. „Gute Politik muss sich auf Informationen und Daten stützen. Wir müssen die Realität möglichst präzise erfas- sen, um darauf basierend Ziele zur Verbesse- rung des Gemeinwohls zu erreichen, die jede Regierung anstreben sollte.“ Ein gutes Beispiel hierfür ist der Katastro- phenschutz in Deutschland, von dem Länder wie Pakistan lernen könnten: Der Hochwas- serschutz ist hier beispielsweise – wenn auch mitunter unzureichend – immerhin recht klar geregelt. So gibt es in gefährdeten Kommunen Risikokarten, die Überschwemmungsgebiete festlegen, in denen nicht gebaut werden darf. Auch Hochwasserversicherungen gebe es in Pakistan noch selten. Sie können die Folgen einer Katastrophe abfedern. Zusätzlich könnte man in Pakistan mehr kleine Dämme an den Oberläufen der Flüsse bauen, mit denen sich das Wasser zurückhalten, dosieren und zur Bewässerung nutzen ließe. VON DEUTSCHLAND LERNEN „Wir sollten als Wissenschafts- und Weltge- meinschaft viel mehr Ideen austauschen und voneinander lernen“, meint Abbas. Es komme Klimaanpassung, Ernährungssicherheit und Umweltschutz enorm zugute, wenn Instituti- onen wie die Humboldt-Stiftung Forschenden wie ihm einen Forschungsaufenthalt ermög- lichen. In seinem konkreten Fall hätten sein Georg Forster-Stipendium und auch die Pro- motion inDeutschland geholfen, seiner Stimme in Pakistan Gewicht zu verleihen. Heute pflegt Abbas als Mitglied in diversen Beratungsgre- mien der Regierung enge Kontakte zur Politik. „Politiker*innen wollen auch bei uns wieder- gewählt werden, und es ist schwer, mit unpo- pulären, aber nötigen Maßnahmen durch- zudringen“, berichtet er. „Doch je besser die wissenschaftlichen Grundlagen dafür sind, desto höher ist die Chance, Gehör zu finden.“ Text JAN BERNDORFF SCHWERPUNKT 24 HUMBOLDT KOSMOS 115/2023

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