Nr. 115/2023

Heymans lehrt und forscht als Professorin am Royal Observatory in Edinburgh zu Dunk- ler Energie. Knapp drei Viertel des Univer- sums stecken in diesem rätselhaften Stoff, der unter anderem die beschleunigte Expan- sion des Weltalls erklären soll. Im Mai 2021 bekam die 45-jährige Wissenschaftlerin für ihre Arbeit als erste Frau den Ehrentitel „Ast- ronomer Royal for Scotland“ verliehen, der Astronom*innen für ihre Forschung auszeich- net und gleichzeitig Sichtbarkeit schafft. Als Heymans den Titel erhielt, sagte sie, sie wolle Teleskope in den schottischen Outdoor-Lern- zentren installieren, in denen Kinder traditio- nell eine Woche ihres letzten Grundschuljahrs verbringen. So könnten Schüler*innen unab- hängig von ihrer Herkunft und ihremHinter- grund Zugang zu ihnen bekommen. WISSENSCHAFT IST ZU SCHWER FÜR DICH Um vielfältige Personengruppen für Wissen- schaft zu begeistern, meint Heymans, bedürfe es in erster Linie konstanter Repräsentation zum Beispiel durch Wissenschaftlerinnen, die als Role Models ganz bewusst die Öffent- lichkeit suchen. „Wir müssen auch bei den Eltern ansetzen“, sagt Heymans aus eigener Erfahrung. „Die sind es oft, die etwa ihren Töchtern oder nicht weißen Kindern sagen: Wissenschaft ist zu schwer und nichts für schung mit Behinderung umgeht. Seit einer Corona-Infektion leidet die Astrophysikerin an Long Covid – einer noch zu wenig erforsch- ten Krankheit, für die es bislang weder Heilung noch ein einheitliches Krankheitsbild gibt. „In der Forschung zählt oft nicht nur die Qualität der Arbeit, sondern auch die Menge des Outputs“, sagt Heymans, die Co-Autorin von über 140 wissenschaftlichen Veröffent- lichungen ist. Seit ihrer Erkrankung erfahre sie unmittelbar, wie diskriminierend der Wis- senschaftsbetrieb sein könne, sei es für Men- schen mit Behinderung, sozial Benachtei- ligte oder Menschen mit Kindern. „Jemand kann aus diversen Gründen nicht in der Lage sein, 60 Stunden pro Woche zu arbeiten, aber trotzdem ein ganz außergewöhnlicher Wis- senschaftler sein.“ Daher sei es nötig, das Ver- ständnis dessen, was Spitzenforschung und wissenschaftliche Exzellenz ausmacht, fle- xibler zu definieren. „Durch meine Krank- heit wäre ich aktuell bei einer Bewerbung um Forschungsförderung nicht konkurrenzfähig“, sagt sie. „Oft realisiert man erst, wenn man selbst betroffen ist, wie diskriminierend ein System ist.“ Diese Erfahrung bestärkt sie in ihrem Einsatz für mehr Vielfalt. Letztlich sei sie resoluter geworden, resümiert Heymans. „Weil ich weniger schaffe, konzentriere ich mich auf die wirklich wichtigen Dinge.“ Text MARLENE HALSER „ WIR MÜSSEN WISSENSCHAFT­ LICHE EXZELLENZ FLEXIBLER DEFINIEREN. dich.“ Erfolgreiche Wissenschaftlerinnen of Colour in der Öffentlichkeit zu sehen, könne da helfen. Neben Vielfalt setzt Heymans auch auf Open Science. Forschung sei oft sehr wettbe- werbsorientiert und dabei häufig auf Geheim- haltung bedacht, sagt Heymans. „Um die gewaltigen globalen Probleme zu lösen, müs- sen wir unsere Arbeit und unsere Ergebnisse miteinander teilen – und dabei auch den Mut haben, Fehler öffentlich zu machen‘‘, sagt Heymans. „Damit ersparen wir einander unter Umständen wertvolle Zeit.“ Eine Frage, die Heymans seit Kurzem auch ganz persönlich bewegt, ist, wie Spitzenfor- Foto: RUB/Kramer 21 HUMBOLDT KOSMOS 115/2023

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