Nr. 115/2023

Herr Schlögl, Sie treten Ihr Amt zum70-jäh- rigen Jubiläum der Humboldt-Stiftung an, das in unruhige Zeiten fällt. Die Politikmuss viele Aufgaben bewältigen, vom Umbau der Energieversorgung bis hin zu einer neuen Sicherheitsordnung. Der Wissenschafts­ diplomatie und damit der Humboldt-­ Stiftung drohen Mittelkürzungen in den kommenden Jahren. Welche Herausforde- rungen warten auf Sie als Stiftungspräsi- dent? Die momentan wichtigste ist für mich tatsäch- lich der Erhalt einer verlässlichen Finanzie- rung. Aktuell ist der Stellenwert der Alexander von Humboldt-Stiftung im politischen Betrieb nicht genügend anerkannt. Klar, den Namen der Stiftung kennt man. Fragt man dann aber, was sie eigentlich macht, herrscht Schweigen. Und es wird gedacht: Wenn man von 150 Mil- lionen Euro Etat fünf Millionen wegnimmt, macht das doch nichts. Wie wollen Sie die Politik vom Gegenteil überzeugen? In Sachen Energiewende berate ich die Poli- tik schon lange und kenne mich ein bisschen aus in dem Betrieb. Man darf den Abgeord- neten nicht unterstellen, dass sie die Wissen- schaft nicht schätzen. Aber wenn sie Prioritä- ten setzen müssen, dann entscheiden sie sich für Dinge, bei denen sie sich sicher fühlen. Schließlich müssen sie ihre Entscheidungen auch verteidigen können. Ich will mehr dafür tun, dass sich die Politikerinnen und Politiker, die für die Stiftung zuständig sind, sicher füh- len, dass sie für etwas Gutes eintreten. Einfach ist das bei der angewandten For- schung, etwa zu grüner Energie. Der Wert des weltweiten Netzwerks der Stiftung erscheint dagegen abtstrakt. Wie würden Sie der Politik seinen Nutzen erklären? Wissenschaft funktioniert grundsätzlich nur als globale Unternehmung. Erkenntnisgewin- nung durch Falsifikation geht nur, wenn man aus sehr verschiedenen Richtungen auf ein und dieselbe Sache blickt. Sind die Perspek- tiven fachlich oder national verengt, gehen die größeren Zusammenhänge schnell verlo- ren. Der Klimawandel etwa berührt so viele verschiedene Aspekte, dass dessen Bekämp- fung ohne eine ganzheitliche Herangehens- PROFESSOR DR. ROBERT SCHLÖGL ist seit Januar 2023 Präsident der Humboldt-Stiftung. Bis Ende März 2023 war er Direktor am Fritz-Haber- Institut in Berlin. Zuvor lehrte und forschte er als Professor für Anorgani- sche Chemie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und war von 2011 bis 2022 Grün- dungs- und geschäftsfüh- render Direktor am Max- Planck-Institut für Chemische Energie­ konversion in Mülheim an der Ruhr. Er ist Vizepräsi- dent der Nationalen Aka- demie der Wissenschaften Leopoldina und Mitglied mehrerer anderer Akade- mien, so auch Fellow der Royal Society of Chemistry in London. „EXZELLENTE WISSENSCHAFT SOLLTE KEINE FRAGE DER GEOGRAFIE SEIN“ Die Zusammenarbeit mit Afrika stärken, klare Regeln defi- nieren für den Umgang mit schwierigen Partnern wie China und das Humboldt-Netzwerk nutzen, um den Klimawandel zu bekämpfen: ein Gespräch mit dem Chemiker und Exper- ten für grüne Energie Robert Schlögl über seine Ziele als neuer Präsident der Humboldt-Stiftung und darüber, wie man gleichzeitig sein Abitur und eine Maurerlehre schaffen kann. SCHWERPUNKT 18 HUMBOLDT KOSMOS 115/2023

RkJQdWJsaXNoZXIy NTMzMTY=