Nr. 115/2023

Wald wegnehmen. Es erfordert Fingerspitzen- gefühl und kulturelle Kenntnis, sie davon zu überzeugen, wie wichtig der Schutz der Wälder für sie selbst und alle anderen Menschen ist.“ Junge Forschende aus der Region, die sich dort auskennen und das Vertrauen der Men- schen genießen, können diese Überzeugungs- arbeit am besten leisten. Aus diesem Grund müsse man verhindern, dass Absolvent*innen der Universitäten dauerhaft ins Ausland gehen, um dort lukrativere Arbeit zu finden. Deshalb findet Glèlè Kakaï auch die Arbeit der Hum- boldt-Stiftung so wichtig: „Sie bietet Anreize dafür, dass afrikanische Postdocs nach dem Ende ihres Stipendiums in Deutschland wie- der in ihr Heimatland zurückkehren, um dort die erworbenen Kenntnisse für die Entwick- lung ihres Landes einzusetzen.“ DER NÄCHSTEN PANDEMIE TROTZEN Als Leiter eines Humboldt-Forschungshubs arbeitet Glèlè Kakaï ebenfalls mit jungen For- schungstalenten zusammen. „Indem wir die Ausbreitung von Covid-19 in Afrika erfor- schen, lernen wir, wie solche Pandemien in Zukunft noch besser zu managen sind.“ Zwar habe Covid-19 in Afrika nie eine solche Dyna- mik entwickelt wie in Südostasien, Europa oder Amerika. „Unter anderem wahrscheinlich, weil wir mit Pandemien wie Ebola und Lassa viel Erfahrung haben“, vermutet Glèlè Kakaï. „Außerdem waren andere Kontinente zuerst betroffen und wir hatten mehr Zeit, um uns darauf einzustellen.“ Dennoch gelte es jetzt, die Wirkung der verschiedenen Maßnahmen wie Impfungen und Kontaktbeschränkungen zu analysieren, um für kommende Pandemien noch besser gerüstet zu sein. Glèlè Kakaï ist überzeugt: „Um die globa- len Herausforderungen meistern zu können, muss die Wissenschaft international zusam- menarbeiten. Dazu gehört aber auch, dass sich junge Forschende mit ihren Kenntnissen über die Gegebenheiten vor Ort in ihren Heimat- regionen einbringen. Davon profitiert dann auch die internationale Wissenschaftsgemein- schaft.“ Text JAN BERNDORFF FREIHEIT GLEICH EXZELLENZ? DAS WAR EINMAL. Repressive Wissenschaftssysteme sind zu ernsthaften Konkurrenten der westlichen Forschungsnationen geworden. Was die weltweite Freiheit der Wissenschaft betrifft, blickt Katrin Kinzelbach mit gemisch- ten Gefühlen in die Zukunft. „Bei der Wis- senschaftsfreiheit verzeichnen wir einen Rück- gang“, sagt die Professorin für Internationale Politik der Menschenrechte an der Fried- rich-Alexander-Universität Erlangen-Nürn- berg (FAU), die zu den führenden Stimmen Deutschlands in SachenWissenschaftsfreiheit zählt. „Gleichzeitig gibt es viel Bereitschaft, sich verstärkt für die Freiheit von Forschung und Lehre einzusetzen.“ Kinzelbach hat den Academic Freedom Index mitentwickelt, einMessinstrument, das Forschende der FAU und des V-Dem (Varie- ties of Democracy) Institute der Universität Göteborg, Schweden, gemeinsam herausge- ben. Der Index vergleicht die Entwicklung der akademischen Freiheit verschiedener Länder seit 1900 anhand diverser Kriterien und gilt als der umfangreichste Datensatz zur Lage der Wissenschaftsfreiheit weltweit. Bis vor eini- gen Jahren sei die Entwicklung positiv gewe- sen, sagt Kinzelbach. Doch dieser Trend sei im 21. Jahrhundert rückläufig. „Das hat mit einer Autokratisierungswelle zu tun, die wir seit etwa zehn Jahren erleben und die für die zunehmend globalisierte Wis- PROFESSORIN DR. KATRIN KINZELBACH hat die Professur für Inter­ nationale Politik der Menschenrechte an der Friedrich-Alexander-Uni- versität Erlangen-Nürn- berg inne. Seit 2019 ist sie Mitglied des Auswahlaus- schusses für die Philipp Schwartz-Initiative der Humboldt-Stiftung. SCHWERPUNKT 16 HUMBOLDT KOSMOS 115/2023

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