Nr. 114/2022

Einschränkungen weniger streng – wobei der entscheidende Unterschied vermutlich ist, dass die Deutschen sich eher an die Regeln halten. Ich weiß, nichts ist perfekt. Aber die Veränderungen, die ich in Deutschland sehen konnte, machen mir Hoffnung für die Zukunft. Trotz aller bestürzenden Entwicklungen in der Welt, wie dem Krieg in der Ukraine. Ich habe vor Jahren „Der Zauberberg“ von Thomas Mann gelesen, der von 1907 bis 1914 handelt. Ich erinnere mich, dass die Hauptfigur Hans Castorp erzählt, wie mental belastend es sei, weit weg von zu Hause auf Reisen zu sein, weil die Seele dem Körper in viel langsamerem Tempo folgt. Heute steigen wir in ein Flugzeug und gelangen innerhalb von 20 Stunden aus dem eisigen Berlin nach Bariloche in Pata- gonien mit sommerlichen 30 °C. Von Deutschland nach Argentinien. Von Europa nach Lateinamerika. Wir werden durch den Raum transportiert, und in vielerlei Hinsicht auch durch die Zeit. An den Flug­ häfen streifen wir Menschen und Leben, die über die ganze Welt verteilt sind. Es ist einfach unmöglich, das ganze Ausmaß dessen zu begreifen. Und gleichzeitig ist es wunderschön. Die Zusammenarbeit auf Distanz wird von den virtuellen Möglichkeiten, die während der Pandemie entwickelt wurden, in Zukunft sicherlich profitieren. Doch bei wissenschaftlichem und kulturellem Austausch geht es um Menschen. Und lang- fristige Interaktionen haben auch mit Freundschaft und Ver- ständnis zu tun. Wir Menschen sind eine soziale Spezies, die Kontakt zu anderen braucht. Nicht nur über einen Bildschirm, sondern auch im Labor, am Tisch, beim Wandern oder nach einer Konferenz in einer Bar. Wir können nicht steuern, wann, wie und wo bahnbrechende Ideen entstehen. Die Humboldt- Stiftung leistet unschätzbare Arbeit, um diese Magie möglich zu machen. Viele Grüße Alex 2021 „ DIE VERÄNDERUNGEN, DIE ICH IN DEUTSCHLAND SEHEN KONNTE, MACHEN MIR HOFFNUNG.“ PROFESSOR DR. ALEJANDRO FAINSTEIN ist Professor am Instituto Balseiro, Universidad Nacional de Cuyo und forscht für die Atomic Energy Commission sowie das Scientific Research Council of Argentina, in Bariloche, Argentinien. 1993/94 war er als Humboldt-Forschungs­ stipendiat zu Gast am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart. 2021 kehrte er zurück für einen Forschungsaufenthalt am Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik in Berlin. Fotos: privat 33 HUMBOLDT KOSMOS 114/2022

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