Nr. 114/2022

27 HUMBOLDT KOSMOS 114/2022 „ DAMALS HABE ICH GEDACHT, WENN ICH EIN PUBLIKUM VON 1 000 LEUTEN UNTERHALTEN KANN, DANN KANN ICH AUCH PROFESSOR WERDEN.“ Foto: Philipp Rothe POPSTARS: 1993 drehte Kofi Yakpo alias Linguist (erste Reihe, 2. v. l.) mit seiner Band Advanced Chemistry das Video zum Song „Fremd im eigenen Land“. Mitte der 1990er-Jahre ver­ abschiedete er sich aus der Musik, begann auf Reisen zu gehen und zu forschen. Ein weiterer Punkt, der Yakpo am deutschen Forschungs- betrieb auffällt: zu wenig Diversität. Selbst in der Afrika- forschung sei zu beobachten: Je höher die Stellen, desto weniger divers seien sie besetzt. Eine Beobachtung, die er nicht nur in Studienzeiten gemacht hat. Auch als Hum- boldt-Forschungsstipendiat an der Berliner Humboldt- Universität 2020/21 habe er in Sachen Diversität kaum Veränderungen in der deutschen Wissenschaft erkennen können. Hört man Kofi Yakpo zu, wird schnell deutlich: Deutschland, das Land, in dem er geboren ist, hat er letzt- lich schon immer als zu eng empfunden. Geografisch zum einen. Aber vor allem mental: „Deutschland ist ein biss- chen wie die USA in Europa. Man blickt nur nach innen und nicht nach außen.“ Yakpo kommt im niedersächsischen Holzminden zur Welt, verbringt aber seine Kindheit in Ghana. Deutsch ist seine Muttersprache. In Ghana kommt er erstmals mit der Sprache seines Vaters in Kontakt – Ewe. Als Yakpo zehn Jahre alt ist, zieht die Familie zurück nach Deutschland, nach Heidelberg. Dort eignet er sich selbstständig die Ewe- Grammatik mit einem alten Schulbuch aus dem Bücher- schrank seiner Eltern an. Er sei damals ein Sprachen-Nerd gewesen. „Meine erste Leidenschaft war Latein.“ Bald kam Französisch dazu. Mit 15 leiht er sich erste Bücher über Sprachen in der Unibibliothek aus: Grammatiken des Fidschianischen, des Tok Pisin, der Nationalsprache Papua-Neuguineas, oder des Yoruba, einer der drei großen Verkehrssprachen in Nigeria. „Ich hatte damals die Illu- sion, ich könnte jede Sprache in kurzer Zeit lernen“, sagt Yakpo. Gleich nach dem Zivildienst schreibt er sich an der Uni Köln für ein Linguistik-Studium ein. HIP-HOP GEGEN RASSISMUS Auf der Bühne war er damals längst der Linguist. 17 Jahre alt ist Kofi Yakpo, als er zusammen mit vier Freunden die Hip-Hop-Gruppe Advanced Chemistry gründet. Die Band schrieb mit ihren politischen Texten deutsche Rap- Geschichte. Das Lied „Fremd im eigenen Land“ geht ein auf rassistische Strukturen in Deutschland jener Zeit: Eine populistisch geführte öffentliche Asyldebatte, rassistische Morde und Brandanschläge in Rostock, Mölln, Solingen und Hoyerswerda waren damals die zentralen Themen in der Gesellschaft. „All das Gerede von europäischemZusammenschluss / Fahr ich zur Grenze mit dem Zug oder einem Bus / ›

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