Nr. 114/2022

26 HUMBOLDT KOSMOS 114/2022 FORSCHUNG HAUTNAH immer schon viel zu.“ Yakpo ist während des Gesprächs per Videokonferenz gerade in Nairobi, Kenia, wo er die sprachlichen Varianten des Swahili untersucht. DerWendepunkt, derMoment also, in demer beschloss, sich ganz und gar der Wissenschaft zu widmen, kam 2008. Yakpo arbeitete als politischer Berater zum Thema Nahrungssicherheit in Afrika für den damaligen Grünen- BundestagsabgeordnetenThilo Hoppe. „Ich habe eine Art Doppelleben geführt“, sagt er und lacht. Ein Leben war seine Arbeit im Bundestag. Das andere seine linguistische Forschung. Nebenbei habe er damals seine Doktorarbeit verfasst: die erste voll ausgearbeitete Grammatik des Pichi, einer afrokaribischen Kreolsprache. Die fertige Arbeit habe er den Kolleg*innen im Bundestag gezeigt, erzählt Yakpo. „Einer blätterte sie durch und sagte: ‚Ich verstehe über- haupt nichts. Das ist ja was komplett anderes als das, was du hier machst. Entweder du bist ein Hochstapler, oder du hast eine gespaltene Persönlichkeit.‘“ Da, meint Yakpo, sei ihm bewusst geworden, dass er sich für die Linguistik ent- scheiden müsse, seine wahre Leidenschaft. GRENZEN HABEN WIR NICHT AKZEPTIERT „Damals habe ich gedacht, wenn ich auf der Bühne stehen und ein Publikum von 1 000 Leuten unterhalten kann, dann kann ich auch Professor werden“, sagt Yakpo und muss wieder lachen. Da habe sein Hip-Hop-Alter Ego gesprochen: „So waren wir in der Hip-Hop-Szene. Wir wussten, dass es Grenzen gibt, aber wir haben sie nicht akzeptiert.“ Nach drei Jahren als Postdoc in Holland sah er sich weltweit nach Stellen um. „Der deutsche Wissenschaftsbe- trieb war mir zu kompliziert und zu intransparent“, erklärt Yakpo. „Ich habe nicht verstanden, wie man in Deutsch- land als Forscher vorwärtskommen kann, also habe ich mich dort gar nicht erst beworben.“ In Hongkong, wo er jetzt lehrt und forscht, seien die Aufstiegschancen klar fest- gelegt. „Hier bist du erst Student, dann Assistant Profes- sor und dann Professor“, sagt Yakpo. Auch die Zeiträume zwischen den einzelnen Schritten seien geregelt. „Diese ganzen Zwischenpositionen und befristeten Stellen wie in Deutschland gibt es hier nicht.“ S chon zweimal im Leben hat sich Kofi Yakpo als Linguist einen Namen gemacht. Einmal als Rapper der deutschen Hip-Hop-Combo Advanced Chemistry. „Der Linguist“ war damals sein Künstlername. Die 1992 erschienene Single „Fremd im eigenen Land“ machte die Band berühmt. Seine wissenschaftliche Karriere begann er indes erst kurz vor seinem 40. Geburtstag. Seit 2013 lehrt Yakpo als Linguistik-Professor an der Universität in Hongkong und erforscht afrokaribische Kreolsprachen: Sprachen also, die entstehen, wenn zwei oder mehr Sprachen aufeinandertreffen und sich zu einer neuen vermischen. Diese Form der Hybridisierung ist während der Kolonialzeit entstanden, oft unter Zwang, wie Yakpo erklärt. Und obwohl weltweit bald 200 Mil- lionen Menschen Kreolsprachen sprechen, sind sie im Gegensatz zu europäischen Sprachen bislang oft noch unzureichend erforscht. Dass es in Yakpos Leben überhaupt diese zweite Kar- riere als Forscher gibt, habe nicht nur mit seinem immen- sen Interesse an Sprachen zu tun, sagt er, sondern auch mit seiner Hip-Hop-Attitüde: „Als Hip-Hopper hatten wir die Einstellung: Ich bin large , ich bin groß. Wir trauten uns Kofi Yakpo war einst eine Größe im Deutsch-Rap. Heute forscht er als Linguistik-Professor zur Entstehungsgeschichte von Kreolsprachen und deckt dabei auch das koloniale Erbe seines Faches auf. Text MARLENE HALSER DER LINGUIST

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