Nr. 114/2022

es geschafft, mit relativ bescheidenen Investiti- onen zu einer KI-Superpower zu werden. Und zwar, indemman einen Großteil der Investiti- onen auf Grundlagenforschung und Univer- sitäten konzentriert hat, ganz bewusst nicht auf die Industrie. In der KI ist es so, dass die Grundlagenforschung oft schon so nah an rea- lisierbaren Anwendungen ist, dass die Indus- trie automatisch davon angezogen wird. Ich finde, daran sollte sich die deutsche Poli- tik viel stärker ein Beispiel nehmen. Es wäre auch äußerst wünschenswert, so etwas wie die Alexander von Humboldt-Professur auch in anderen europäischen Ländern zu haben. Und wir müssten auf europäischer Ebene Initia- tiven entwickeln, die international Aufsehen erregen und für Schlagzeilen sorgen, etwa in der New York Times oder der South China Morning Post. Wie könnte so eine Initiative aussehen? Ein Beispiel wäre die Einrichtung einer großen Forschungseinrichtung, eines CERNs für KI. Das würde überall für Schlagzeilen sorgen und Talente aus der ganzen Welt anziehen. Wenn man globale Strahlkraft haben will, dann braucht man einen Leuchtturm, der richtig groß und hell ist. Sie sind einer der führenden Köpfe im euro- päischen KI-Netzwerk CLAIRE (Confed­ eration of Laboratories for Artificial Intelli- gence Research in Europe). Welchen Nutzen hätte eine Großforschungseinrichtung à la CERN? Unsere Vielfalt und ein Netzwerk in vielen Ländern ist einer der großen Standortvor- teile, die wir in Europa haben. Das müssen wir ausbauen. Aber so ein Netzwerk braucht auch einen Brennpunkt, an dem sich Aktivi- täten bündeln und konzentrieren. Die Arbeit des CERN hat ja nicht nur damit zu tun, dass dort ein großer Teilchenbeschleuniger betrie- ben wird. Es geht auch um den persönlichen Austausch, der dort stattfindet und der sehr wichtig für dieWissenschaft ist. Vieles ist eben einfacher und besser zu erreichen, wenn man nah beieinander ist. Durch die Pandemie ist das noch deutlicher geworden. Das CERN hat den großen Teilchenbeschleu- niger. Welche Infrastruktur bräuchte das europäische KI-Zentrum? Einen Riesen- rechner? Unbedingt! Wir brauchen ein ganzes Netz- werk von KI-Rechnern. Ein großer Netzwerk- knoten auf europäischer Ebene, dann etwas kleinere in den einzelnen Ländern und zusätz- liche Kapazitäten jeweils vor Ort. In Aachen investiere ich als Humboldt-Professor gerade eine Million Euro in einen Großrechner. Bei uns gibt es Forschung, wofür wir unsere eige- nen Rechner brauchen, über die wir volle Kon- trolle haben. Aber darüber hinaus brauchen wir Kapazitäten, die wir uns als einzelne For- schungsgruppe niemals leisten könnten. Wie optimistisch sind Sie, dass in Europa noch mehr Geld in die KI-Forschung inves- tiert wird? Ich glaube, es gibt keine Alternative. KI ist aus meiner Sicht der Schlüssel für die nächste Generation von Wissenschaft und damit Motor des Fortschritts in vielen Bereichen.Wer dort zurückfällt, der wird in der Forschung und dann auch später bei der Lebensquali- tät der Bürger*innen abgehängt werden. Interview von GEORG SCHOLL KI IST DER SCHLÜSSEL FÜR DIE NÄCHSTE GENERATION VON WISSENSCHAFT. WER DORT ZURÜCKFÄLLT, DER WIRD IN DER FORSCHUNG ABGEHÄNGT.“ „ 23 HUMBOLDT KOSMOS 114/2022

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